31.08.2021

Dr. Arne Deußen, Klumpp Coatings: „Eigentlich muss jeder große Parketthersteller bei uns kaufen“

Seit November 2020 gehört Klumpp Coatings zum Beteiligungsportfolio der Peter Möhrle Holding. Die Hamburger Investmentgesellschaft, das Family Office der Familie des Max Bahrs-Gründers Peter Möhrle, ist in der Branche bislang eine unbekannte Größe. Welche Pläne hat PMH mit dem Oberflächenspezialisten? Was ändert sich, was nicht? Das wollte Parkett Magazin von Dr. Arne Deußen wissen, der in Personalunion Klumpp Coatings und das Schwesterunternehmen Oskar Nolte führt.

Parkett Magazin: Herr Dr. Deußen, im November 2020 erwarb die Peter Möhrle Holding mehr oder weniger überraschend Klumpp Coatings. PMH ist bisher in unserer Branche nicht in Erscheinung getreten, deshalb haben wir ein wenig recherchiert. Danach hat PMH in ganz verschiedene Bereiche investiert, häufig Familienunternehmen, die weiterentwickelt werden sollen, in der Regel sind es langfristige Engagements. Es scheint sich also nicht um eine klassische „Heuschrecke“ zu handeln...

Dr. Arne Deußen: Nein. Der Hintergrund von PMH ist die Verwaltung des Familienvermögens. Und statt an der Börse zu investieren, werden direkt Anteile von Unternehmen erworben, bei denen man dann auch Mitspracherecht hat. Dieses Engagement ist durchaus finanziell getrieben, aber mit einem langfristigen Zeithorizont und im Unterschied zu Private Equity-Gesellschaften gibt es keine Exit-Szenarios.

Das ermöglicht uns, zu investieren – sei es in Übernahmen (Anm.d.Red. Möbellackspezialist Oskar Nolte, die Schwestergesellschaft von Klumpp Coatings wurde 2015 von PMH gekauft, 2019 kam das Folienlackgeschäft von Akzo Nobel dazu), in Anlagen oder in Menschen. Wir haben nach den Akquisitionen jeweils sofort Geld für Maschinen in die Hand genommen und zum Beispiel für Klumpp einen Excimer gekauft. Weil wir erstens an die Unternehmen glauben und das zweitens ein wichtiges Signal und eine vertrauensbildende Maßnahme für die Mitarbeiter und die Kunden ist.

Wenn es PMH so wichtig ist, in Unternehmen und nicht in Aktien zu investieren, mischt sich Ihr Eigentümer dann auch in das operative Geschäft ein? Und einen Beirat haben Sie bei Klumpp ja auch noch...

Die Geschwister Möhrle sagen, eigentlich investieren sie in die Ideen von Menschen. Insofern bringt PMH in die Konstellation sein Finanzwissen und Akquisitionsknowledge ein, das Industrie- und Branchenwissen kommt von mir. Mir ist persönlich schon wichtig, als Geschäftsführer auch Freiheiten zu haben, aber natürlich hat PMH auch ein Management, das die Invests begleitet und mit dem ich mich austausche. Der Beirat wiederum ist das Kontrollgremium. Da erfolgt auch schon mal schnelle telefonische Abstimmungen. Von diesen direkten, kurzen Wegen profitiert die Entscheidungsqualität.

Dieser neue Excimer für Klumpp: Bedeutet das, dass es dort einen Investitionsstau gab? Oder noch weiter gefasst: Wie sah Ihre Bestandsaufnahme aus? Was war Ihr Fazit nach den berühmten ersten 100 Tagen?

Da gibt es verschiedene Ebenen. Fangen wir mit der Grundvision an. Man kann Klumpp als Gruppe wesentlich einheitlicher führen. In der Vergangenheit hatten die Auslandsgesellschaften ein starkes Eigenleben, da ist manches verpufft. Ich glaube daran, dass man die Innovationen, die im Wesentlichen aus Deutschland und Europa kommen, stärker in globale Märkte treiben kann und andersherum Inputs aus den globalen Märkten stärker nutzen kann.

Klumpp hat eine, ich würde fast sagen dominante Marktstellung, indem global in der Breite wichtige Parketthersteller abgedeckt werden und ist extrem fokussiert. Das ist ein Riesenalleinstellungsmerkmal im Gegensatz zu anderen Unternehmen, die auch in anderen Branchen aktiv sind. Dieses Wissen kann man unter der Headline „One Klumpp global“ besser nutzen und umsetzen.

Und es gibt eine ganze Reihe interessanter Synergien zu Oskar Nolte. Das hat mich etwas überrascht, denn ursprünglich wollten wir beide Firmen wesentlich separater laufen lassen. Aber es gibt eine ganze Reihe Themen, bei denen es Sinn macht, sie in der Gruppe zu bearbeiten, angefangen beim Rohstoffeinkauf über das Labor bis hin zum Vertrieb. Wobei wir nur so weit wie nötig und so wenig wie möglich integrieren, weil ich nicht an Zentralismus glaube, sondern vielmehr an kleine, schnelle Einheiten. Wir werden daher auch keine Abteilungen zusammenlegen, ich will aber, dass die Mitarbeiter der Firmen miteinander reden. Also eine dezentrale Integration.

Auf Strategieebene wollen wir einen noch größeren Fokus auf den Fußbodenmarkt und hier auf die großen Hersteller legen. Der Lackmarkt ist schwierig und Klumpp hat angesichts dessen in den letzten Jahren diversifiziert und versucht, sich nebenbei kleinere Felder zu erschließen. Ich glaube im industriellen Lackbereich aber ganz klar an eine Fokussierung. Ich bin lieber in einer Nische der Stärkste, anstatt auf allen möglichen Feldern mitzuspielen. Oskar Nolte beispielsweise ist auch nur in bestimmten Segmenten des Möbelmarkts aktiv und nicht in den Fußbodenmarkt eingestiegen. Fokussierung, Back to the roots, Stärken stärken – das bestimmt unsere Strategie.

Und wenn ich eine Strategie habe, muss ich die auch umsetzen, dazu brauche ich die entsprechende Struktur. Da glaube an eine Verflachung der Hierarchien in der Vertikalen und eine Zusammenlegung von Kleinstabteilungen in der Horizontalen – also insgesamt weniger hierarchisch, weniger organisatorische Barrieren.

Das klingt nach einer Entbürokratisierung...

Wenn man so will... letztlich geht es darum, die Organisation zu dynamisieren, unternehmerischer zu machen, weniger verwaltend, weniger absichernd, chancenorientierter. Das muss ich die Mitarbeiter natürlich mitnehmen. Ich verstehe mich nicht als zentrale Führungsfigur, habe eher die Auffassung, dass ich als Geschäftsführer die Menschen, die die Arbeit für die Kunden leisten, unterstützen muss, dass ich Rahmenbedingungen schaffen muss, damit sie bestmögliche Leistung bringen können. Dazu brauchen wir gegenseitiges Vertrauen. Ich brauche Vertrauen zu den Mitarbeitern, dass ich sie laufen lassen kann und sie zu mir, dass sie auch mal Fehler machen dürfen und das nicht schlimm ist. Das erfordert ganz viel Kommunikation.

Sie haben eben eine Art dezentrale Integration mit Oskar Nolte erwähnt. Wie sind die Unternehmen gesellschaftsrechtlich aufgestellt - gleichberechtigt? Mutter und Tochter?

Oskar Nolte und Klumpp Coatings sind Schwestergesellschaften, beides GmbHs, unter dem Dach der SIC Holding, das steht für Special Industrial Coatings, in der also die Lackaktivitäten zusammengeführt werden. Geschäftsführer der Holding sind Guido Schweizer für die Technik und ich für das Kaufmännische.

Sie haben also erst eine Bestandsaufnahme gemacht, sich eine Strategie überlegt und inzwischen sicher mit der Umsetzung begonnen. An welchem Punkt sind Sie jetzt? Bleiben die beiden Produktionsstandorte von Klumpp in Stuttgart und Wuppertal erhalten oder wird etwas zu Oskar Nolte in Kirchlengern oder von dort verlagert?

Wir hatten im Zuge des Verkaufsprozesses die Gelegenheit, mit für uns relevanten Mitarbeitern zu sprechen und hatten daher von schon ein relativ klares Bild, wo es Synergiepotentiale gibt und in welche Richtung es gehen soll. Das war mir ganz wichtig, denn für mich ist tatsächlich die Qualität der Mitarbeiter von größter Bedeutung. Auch wenn Lack ein technisches Produkt ist, wird er am Ende von Menschen hergestellt. Ich will ja auch die richtigen Leute an die richtigen Positionen setzen und wenn ich sie motivieren will, muss ich mit ihnen reden, wie sie die Dinge sehen und verstehen, wie sie ticken. Diese Phase ist noch nicht abgeschlossen, wir sind noch mittendrin.

Zu den Produktionsstandorten haben wir verschiedene Überlegungen: Grundsätzlich kann man schon die Rezepturen von einem zum anderen Standort geben – sofern ähnliche Technologien dahinter stehen. Das ist bei Klumpp und Nolte der Fall, was einen großten Teil des Charmes der Zusammenarbeit ausmacht: Beide Unternehmen setzen wasserbasierende und strahlenhärtende Systeme ein, Klumpp hat dazu noch einen kleinen Bereich an Lösemittellacken. Also können wir im Prinzip die Produktionsstandorte gegenseitig nutzen. Das war übrigens auch einer der Gründe für die Transaktion: dass wir den Nolte-Kunden mehr Produktionssicherheit geben wollten.

In der Vergangenheit herrschte bei Klump eine interne Konkurrenz zwischen Stuttgart und Wuppertal. Das wollen wir stoppen, weil es um das Ganze geht. Wenn das erfordert, dass Nolte bestimmte Produktionsvolumina abgibt, um woanders Arbeitsplätze zu sichern, wird das so gemacht. Ich will keine Sieger-Besiegte-Mentalität haben.

Das heißt, die Belegschaft an keinem der Standorte muss sich Sorgen machen, dass sie morgen keine Arbeit mehr hat...

Genau. Alle drei werden weitergeführt. Wie gesagt: Ich glaube an die Menschen, ich glaube an gute Mitarbeiter. Die müssen wir halten und begeistern. Und die guten, erfahrenen Mitarbeiter sind eben häufig älter, 40, 50 oder 60 Jahre, und ortsgebunden, man kann sie nicht einfach transferieren. Also muss ich einen Standort dort betreiben, wo sie sind und nicht den Standort verlagern und erwarten, dass sie dort hinziehen. Aus meiner Erfahrung heraus sind die meisten Menschen nicht so mobil.

Nach allerdings einige Jahre alten Zahlen ist die Produktionsmenge von Nolte dreimal so hoch wie die von Klumpp. Ist das Verhältnis noch ähnlich, also Nolte viel größer?

Ja, um den Faktor drei oder vier. Nolte ist ein echter Massenproduktanbieter, bewegt sich aber auch auf einem ganz anderen Markt. Das Segment, in dem Nolte am stärksten ist, sind die Rückwände von Möbeln, also nicht mal der Frontbereich. Da ist Nolte Weltmarktführer. Das resultiert aus einer unfassbaren Effizienz in allen Teilen des Produktionsprozesses von der Rohstoffversorgung bis zur Organisation. Deshalb ist Nolte für mich in diesem großindustriellen Holzlackgeschäft wirklich stark, was Effizienz anbetrifft.

Klumpp steht für mich im Gegenzug eindeutig für Innovation. Schon in den 1980er Jahren war Klumpp der Pionier der industriellen Parkettlackierung. Und Dr. Wolfgang Klumpp hat in dieser Zeit schon den Markt in Südostasien erschlossen und dort die ersten Kunden gewonnen.

Für mich ergibt sich daraus ein internes Motto: „Innovation needs efficience“, das heißt, wir müssen bei Klumpp die Innovationsfähigkeit erhalten und zugleich die Effizienzmaßnahmen einsetzen, mit denen wir bei Nolte erfolgreich sind. Denn in einem so wettbewerbsintensiven Markt wie unserem, der durch die aktuellen Rohstoffverteuerungen noch mehr unter Druck kommt, können wir es uns nicht leisten, nicht effizient zu sein. Wobei wir auch nicht Nolte 2 aus Klumpp machen wollen.

Effizienter machen klingt für mich immer ganz klar nach Kosten einsparen. Widerspricht sich das nicht: einerseits Innovationsschmiede, andererseits effizienz- sprich kostenorientiert?

Ja, vor zehn Jahren hätte ich auch gedacht, dass sich das an vielen Ecken widerspricht. Und ja, wir sind mit Nolte ganz klar Kostenführer. Wir sind in dem Segment, in dem wir uns bewegen, aber auch Service- und Innovationsführer. Wir sind die schnellsten bei der Entwicklung von Produkten und wir haben den besten technischen Service. Ich glaube tatsächlich, dass man das in vielen Bereichen verbinden kann - wenn man weiß, wie der Markt tickt.

Gibt es noch Wachstumspotenzial? Haben Sie bestimmte Segmente identifiziert?

Die beiden großen Segmente, die wir bedienen, sind Parkett und Digitaldruck. Der Parkettmarkt ist seit Jahren stabil und lässt auch keine große Expansion erwarten. Wachstum lässt sich nur über Marktanteilsgewinne bei existierenden oder neuen Kunden generieren. Ich glaube schon, dass wir da noch Potenzial haben. Eigentlich muss jeder große Parketthersteller der Welt bei uns kaufen – zumindest im anspruchsvollen Segment, in den Billigbereich will ich gar nicht hinein. Und das ist noch nicht der Fall. Das kriegen wir aber nur hin, indem wir in punkto Innovation, Service, Schnelligkeit mehr bieten als andere.

Und vom Substrat her gesehen gibt es ja noch andere Segmente außer Parkett: WPC, Designböden, zementäre Materialien... ich glaube, dass die auch ein Wachstum zulassen. Und natürlich gibt es auch bestimmte Regionen, in denen wir heute noch unterrepräsentiert sind und wachsen können.

Die Fragen stellte Claudia Weidt

Lesen Sie das ganze Interview in Parkett Magazin 5/21.


Klumpp Coatings

Klumpp Coatings GmbH
Werk Stuttgart
Dornbirner Str. 23
70469 Stuttgart
Tel.: + 49 – 711 – 981 84-0
info@klumpp-coatings-com
www.klumpp-coatings.com

Gründung: 1919
Eigentümer: Peter Möhrle Holding
Geschäftsführer: Dr. Arne Deußen, Stephan Klumpp
Vertriebsleitung: Matthias Grundt
Mitarbeiter: 160

Standorte: Deutschland (Stuttgart, Wuppertal), China (Shanghai), Brasilien (Curitiba), Indonesien (Semarang), Singapur, Thailand (Bangkok), Vietnam (Ho-Chi-Minh-City), Russland (Moskau)

Produktportfolio:
• Lack- und Öl-Beschichtungssysteme für die Parkettindustrie zur Walzenapplikation
• Digitaldruckbeschichtungssysteme für verschiedene Substrate, auch mit 3D-Struktur
• UV-Beschichtungen für Vinylbeläge, auch mit 3D-Struktur
• Lack-Beschichtungssysteme für Türen, Treppen und Möbel
• Pflegeprodukte für lackierte und geölte Parkettböden
Dr. Arne Deußen, Klumpp Coatings: „Eigentlich muss jeder große Parketthersteller bei uns kaufen“
Foto/Grafik: SN-Verlag
Dr. Arne Deußen: „Klumpp hat eine fast dominante Marktstellung und ist extrem fokussiert. Das ist ein Riesenalleinstellungsmerkmal, das wir unter der Headline ,One Klumpp global’ noch besser nutzen können.“

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