20.04.2022

Innung Nordost: „Unser Handwerk spielt eine sehr besondere Rolle“

Auch die Frühjahrs-Mitgliederversammlung der Parkett- und Bodenlegerinnung Nordost im sächsischen Bad Schandau stand unter dem Eindruck des russischen Angriffs der Ukraine. „Gestern war vor dem Krieg“, sagte Obermeister Holger Wiehle. „Die Lieferung von Holz, Klebstoffen, Zusatzstoffen sowie Öl und Gas ist gefährdet.“ Dennoch ist die Zukunftsangst in der Branche gering. Eine Umfrage innerhalb der Innung zeigt: die Auftragsbücher sind gefüllt, Planungen reichen teilweise bis in den kommenden Winter. Arbeit ist da – was fehlt sind Fachkräfte. Wiehle ist dennoch zuversichtlich: „Unser Handwerk spielt im Wirtschaftsleben eine sehr besondere Rolle. Die Nachfrage nach Praktika und Lehrstellen ist gestiegen. Junge Leute interessieren sich wieder für das Handwerk.“

Da mag es helfen, dass Ausbildungsvergütungen gemäß § 6 des Entgelttarifvertrages vom 4. Februar 2022 nun EUR 50 mehr betragen – in den drei Ausbildungsjahren 630, 680 und 750 EUR. Und bis 2023 sollen sie weiter steigen, auf 720, 770 und 840 EUR. Was den regulären Arbeitslohn angeht, so haben sich die tariflichen Entgelte seit dem 1. April um 3,3 % erhöht. Vergütungen zwischen 12,00 und 21,66 EUR ohne Akkordzuschlag sind jedoch nur Richtwerte. Jeder einzelne Betrieb müsse erstrebenswerte Regelungen finden, um Mitarbeiter zu halten oder zu anzuziehen, heißt es.

Kostenfreie Weiterbildung für Innungsmitglieder

Weiterbildung ist für Parkettleger-Gesellen und Bodenleger-Facharbeiter nicht nur erwünscht sondern teilweise auch notwendig. Zum Beispiel dort, wo ab August 2022 Kleb- und Versiegelungsstoffe nur noch mit entsprechender Zertifizierung angewendet werden dürfen. Eine Auffrischung anderer technischer Applikationen kann ebenfalls nicht schaden. Hier will die Innung Nordost für ihre Mitglieder kostenfreie Seminare und Online-Veranstaltungen organisieren. Beitragspflichtig teilnehmen können Mitarbeiter anderer interessierter Firmen. Der Inhaltsentwurf einer „Überbetrieblichen Lehrunterweisung Bodenleger“ wurde vorgelegt.

Der Maschinenkurs ist ein weiteres Beispiel für fachhandwerkliche Bildung. Lehrlingswart Ricco Zellhuber rät allen Betrieben, ihre Mitarbeiter zu diesem Angebot zu schicken. Allerdings braucht es dafür auch fähige Ausbilder. An der Berufsschule Plauen kann die Ausbildereignung für den Maschinenbetrieb erworben werden. Zellhuber: „Dafür muss allerdings mehr als nur ein Tag eingeplant werden.“

Digital aufrüsten

„Man muss keine Unsummen ausgeben, um zu digitalisieren“, betonte Errico Krügercke, der in der Innung für EDV-Fragen zuständig ist. „Und die Generation junger Mitarbeiter arbeitet ganz selbstverständlich mit digitalen Medien.“ Die Parkettbranche sollte deshalb nicht hinter anderen Gewerken zurückbleiben. „Man muss heute nicht einmal mehr zum Kunden fahren, um Raummaße aufzunehmen. Das kann man mithilfe eines vom Kunden gesendeten Raumfotos erledigen.“ Kundengewinnung und -bindung mittels digitaler Kanäle funktionieren natürlich auch. „Jeder Betrieb kann über seine Website und per Social Media zusätzlichen Service anbieten, zum Beispiel Hinweise zum richtigen Lüften.“ Ein guter Online-Auftritt macht genauso viel Sinn wie sympathisch-kompetentes Verhalten vor Ort, denn der Verbraucher bewertet den Handwerker im Internet.

Preisgleitklausel – wann erlaubt, wann nicht?

Wenn Baumaterialien im Verlauf eines Auftrages zunehmend teurer werden, kommt die sogenannte Preisgleitklausel ins Spiel. Ist sie vertraglich vereinbart und dem Kunden transparent dargelegt, kann der Handwerker die steigenden Preise für seinen Materialeinkauf an den Bauherrn weiterreichen. „Privatkunden haben dafür in der Regel Verständnis“, betonte Dirk Neumann, Geschäftsführer der Handwerkskammer Halle/Saale. „Jedoch ist die Klausel seit 22. März darüber hinaus nur bei Bundesbauvorhaben möglich.“ Im regionalen Bereich akzeptiert die öffentliche Hand keine Preisgleitklausel.

Kann der Handwerker unerwartet hohe Kosten auch anderweitig vermeiden? Neumann: „Eine sehr starke Preissteigerung beim Material kann zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen. Dann darf man den Vertrag kündigen.“ Für besser hält er jedoch eine Vorgehensweise, bei der eine Baustelle in Schritten abgearbeitet und abgerechnet wird. „So werden die einzelnen Positionen zeitnah verhandelt und das ist auch für den Kunden gut planbar.“
Innung Nordost: „Unser Handwerk spielt eine sehr besondere Rolle“
Foto/Grafik: SN Verlag/Henrik Stoldt
Zwei Treffen im Jahr und immer gut besucht: die Mitgliederversammlungen der Innung Nordost.
Innung Nordost: „Unser Handwerk spielt eine sehr besondere Rolle“
Foto/Grafik: SN Verlag/Henrik Stoldt
Vorstand Innung Nordost (v.l.): Lehrlingswart Ricco Zellhuber, Errico Krügercke, Tom Willner, Ronny Wagener, Obermeister Holger Wiehle, Guido Barth und der stellvertretende Obermeister Robert Mutschall.
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